(Versuch einer medizinischen Abhandlung)
Die Tätigkeit "Nähen" kann beruflich oder als Hobby ausgeübt werden - für mich ist Nähen eher ein Hobby, das mal mehr und mal weniger stark in den Vordergrund meines Alltags drängt - in den Sommermonaten eher mehr. Durch diese gehäuften Näh-Ereignisse kam ich ins grübeln, ob meine Gesundheit durch mein Hobby längerfristig Schaden nehmen kann. Eine Berufskrankheit in diesem Sinne ist mir nicht bekannt und eine echte Nähkrankeit gibt es auch nicht. Ich kam zu dem Schluss, das "Nähen" in Zukunft bei mir etwas eingeschränkt wird und die damit verbundenen Nebentätigkeiten (wie z.B. bloggen) ebenso.
Gesundheitsschäden durch Nähen - medizinische Publikationen habe ich nicht gefunden. Kennt man sich einigermassen mit dem menschlichen Körper aus, fallen einem aber schnell mögliche Beschwerden ein, die durch Nähen ausgelöst werden können. Zum Beispiel Schulter und Nackenschmerzen durch Sitzen an der Nähmaschine oder Nähen mit der Hand. Des weiteren könnten Sehnenscheiden Entzündungen an Fingern, Händen und Unterarmen Schmerzen verursachen. Auch Verletzungen durch Nadeln oder andere Nähwerkzeuge sind denkbar. Dazu zählen Stichverletzungen durch Steck- oder Nähnadeln, sogar von Stichen direkt durch den Fingernadel mit der Nähnadel der Nähmaschine wurden mir berichtet. Weiterhin sind Schnittverletzungen durch Scheren und Rollschneider möglich. Wie scharf und gefährlich ein Rollschneider ist, musste ich am eigenem Leib, bzw Finger erfahren. Eigentlich wollte ich nicht darüber bloggen - wer veröffentlicht schon gerne, wie doof er sich angestellt hat? - andere Näherinnen waren jedoch der Meinung, das nicht jeder weiß, wie scharf so ein Rollschneider ist....
Deshalb hier ein Tatsachenbericht: Im Näh-Rausch (zu den Rauschzuständen komme ich später noch einmal) fing ich am Nachmittag vor meinem Urlaub an - die Koffer waren noch nicht gepackt! - Stoffstreifen für ein Handnähprojekt mit dem Cutter zu schneiden. Erschöpft und in absoluter Urlaubsstimmung, die Musik noch einmal lauter gestellt, schnitt ich fleißig Streifen.... bis ich an der linken Hand, die auf dem Lineal lag, etwas komisches verspürte. Als ich hin schaute lag ein Stück meines Fingers auf dem Stoff! Mit mehr Details werde ich Euch nicht belasten - bitte denkt immer daran: ein Cutter/Rollschneider ist sehr scharf und kann zu Verletzungen führen! So scharf, das man durch einen Schnitt keine Schmerzen verspürt!
Zurück zu dem Rauschzustand, den dieses Hobby ausgelöst hat. Rauschzustände können durch Drogen, aber auch durch Tätigkeiten - wie z.B. Arbeiten, Kaufen, etc - ausgelöst werden. Einige Substanzen oder Tätigkeiten können eine Abhängigkeit/Sucht erzeugen. Inzwischen werden heute bereits Abhängigkeiten von der Internetnutzung beschrieben. Wie bedroht bin ich? Bin ich bereits abhängig von Internet, bloggen, Nähen oder Flickr? Was gibt es für mich als Therapiemaßnahmen?
Meine Schlussfolgerungen, die ich hier nun weiter geben kann, sind: durch Nähen entsteht keine wirkliche Krankheit - ausser man sieht "Nähen" als eigenständige (krankhafte) Diagnose an. Jedoch kann es bei unsachgemäßer Handhabung dieser Tätigkeit zu Beschwerden und Überlastungsreaktionen am Muskel- und Skelettsystems kommen. Tritt bei der ausübenden Person zusätzlich "Stress" im Alltag/Beruf auf, kann es zu Konzentrationsstörungen und somit zu Verletzungen oder Unfällen führen. Wird "Nähen" exzessiv ausgeübt, ist eine Abhängigkeit/Sucht von dieser Tätigkeit denkbar.Ich glaube eine echte Sucht besteht bei mir noch nicht, ich konnte die Tätigkeit ohne Entzugserscheinungen reduzieren. Weiterhin habe ich mich einer Selbsthilfegruppe angeschlossen - wobei ich das leise Gefühl habe, das diese nicht die Lust am Nähen mindert, sondern eher schürt.... :)
Also sobald Quilterinnen sich gegenseitig am leicht asymmetrischen linken Zeigefinger erkennen, läuft definitiv was schief mit dem Nähhobby (ich muss gerade an diese Verbrecherorganisationen in japanischen Filmen denken, die Mitglieder erkennen sich an Tätowierungen oder an Narben...).
AntwortenLöschenviele Grüße!
Zuerst dachte ich an einen angekündigten langsamen Ausstieg vom Bloggen - doch beim letzten Absatz lachte ich herzlich.
AntwortenLöschenFröhliches Nähen mit angebrachter Vorsicht
wünscht
Tally
PS. Ich habe gestern Abend was gelernt: Parke nie dein großes teures Schneidelineal auf dem Sofa/Bett und decke noch was drüber. Mir geht es prima, aber jetzt habe ich zwei kleine Lineale.
na, dann pass mal gut auf dich auf in Zukunft!! nicht, dass es eines Tage bei zwei hochgehaltenen Fingern "vier Prosecco für die Quilterinnen vom Sägewerk äh, aus Berlin" heißt..
AntwortenLöschenviele schöne grüße von
Claudia
Völlig unironisch enthält die Dissertation über die handarbeitenden Hanseatinnen, die ich hier noch ausgeliehen habe, einen 50seitigen "medizinischen Diskurs im Kontext weiblicher Handarbeiten". Da staunt man nicht schlecht, Ruin der Augen und Bleichsucht kommt zu den von dir genannten Haltungsschäden noch hinzu. Außerdem gibt es noch einen "Überbürdungsdiskurs", mal nachlesen, was das ist.
AntwortenLöschenBei Tally erinnere ich mich übrigens an eine schlimme Stricknadelverletzung - es ist also nicht zu das Nähen gefährlich!
Großartiger Bericht! Nachdem ich gestern stundenlang auf der Couch saß und Minihexies aneinandergenäht habe,konnte ich kaum aufstehen, weil mein Bewegungsapparat so eingerostet war. Spätere Haltungsschäden also nicht ausgeschlossen...
AntwortenLöschenI sewed through my finger once with my sewing machine. Now that made me feel silly. (Tip: Do not step on foot pedal when finger is under needle...) I think cutting yourself with your rotary cutter is a right of passage...now you are truly an experienced quilter!
AntwortenLöschenErst habe ich mich richtig erschrocken und nun bin ich erleichtert!
AntwortenLöschenZu Maigrets Zeiten konnte man noch an den Händen den Beruf einer Näherin erkennen.Jedenfalls lies Simenon ihn anhand der zerstochenen Finderspitzen ihn in der richtigen Berufsgruppe suchen.
wollte gar nicht vom Thema abschweifen, sondern vorschlagen zur Quiltergruppe gleich noch eine Bewegungsgruppe zu gründen oder anzuhängen!
Grinsende Grüße von karen
Oh ja, ich kenne diese "glücklichen" Urlaubsvorbereitungen auch.... Wobei das Problem, welches zu Verletzungen durch Erschöpfung und Unkonzentration führt, ja nicht im Näh-Hobby selbst liegt, sondern in all den anderen Urlaubsvorbereitungen, die man zu erledigen hat. Oder etwa nicht?
AntwortenLöschenGanz erschreckend finde ich die angesprochene Bleichsucht, WAS IST DAS??? Kriegt man das, wenn man in geschlossenen Räumen ohne Tageslicht näht???? Sollte man vorbeugend lieber an der frischen Luft nähen?
Ergänzend habe ich folgende (ungeordneteten) Fragen:
-Was ist mit eingetretenen Nadeln, kann sich sowas entzünden?
- Hat sich schon einmal jemand an Stricknadeln im Auto, also beim Stricken im Auto, verletzt?
- Inwiefern hat Stoff-Kaufsucht ursächlich was mit dem Nähen zu tun? Oder ist es eine Variante der Kaufsucht im Allgemeinen?
- Wurden schon Fälle von Familien-Verwahrlosung dokumentiert durch eine hobbymäßig aber rauschhaft nähende Mutter?
Ein spannendes Thema zur Gefährlichkeit von vermeintlich harmlosen Hobbies hast du da angesprochen. Ich erinnere mich an die These, dass man ja auch beim Schachspielen mit den Stuhl umfallen und sich schwer verletzen könne.
Ist Nähen statistisch gesehen gefährlicher als Schachspielen?
LG
Wiebke
Ich gebe zu, der Beitrag hatte schon einen kleinen ernsten Hintergrund - Finger abschneiden, Rettungsstelle usw war nicht wirklich lustig. Ich habe tatsächlich mit dem Gedanken gespielt mich völlig aus Internet und bloggen zurück zu ziehen, um nicht in diesen Zwang "schneller, höher, weiter..." - für den es auch keinen Hintergrund gibt - weiter zu unterliegen. Für mich war es auch ein "Zeichen" (ein Stück Finger und keine Sandale ;)) wieder mehr auf mich zu achten.
AntwortenLöschenAugenschäden habe ich in meinem Bericht total vernachlässigt, nähe ich doch tatsächlich manchmal mit der 6 € Lesebrille von Hugendubel! Die Bleichsucht kenne ich nicht, werde ich aber recherchieren. Stichverletztungen durch Stricknadeln mit eventuellen Entzündungen gehören definitiv dazu. Verwahrlosung und Stoff-Kauf gehören für mich in die Kategorie Abhängigkeit und Sucht. - zum Stuhlumkippen beim Schach fällt mir ein, das der Hocker auf dem ich beim Nähen Sitze, dauernd kippelt. Ein Bein (Ikea) lockert sich immer, es besteht vielleicht Gefahr, das ich mit ihm zusammenbreche..... Vielleicht gibt es ja irgendwo gesetzlich eine festgelegte Gefahrenzulage?!
Hallo! Ein wirklich sehr interessantes Thema haben Sie gewählt, danke schön! Leider können auch unsere Hobbys schädlich sein :(
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