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Donnerstag, 16. Juni 2011

Eine Ausstellung - beklemmend, aber sehenswert

Wenn ich ehrlich bin, haben mich die Bilder von Volker Bartsch vorrangig nicht interessiert. Mich hat viel mehr das versteckte Gebäude im Häuserblock zwischen Kantstraße und Pestalozzistraße gereizt. Läuft man durch die Pestalozzistraße von Suarezstraße in Richtung Windscheidstraße lang, fällt einem unweigerlich ein völlig verwildertes Grundstück hinter einer hohen, mit Grafitti besprühten Mauer auf. Eine Tür aus Beton, mit Kette und Vorhängeschloß lässt einen Zugang nur erahnen. Viele Anwohner aus dieser Gegend habe ich befragt, was sich hinter dieser Mauer verbirgt, aber niemand konnte mir eine Auskunft geben. Auf die Lösung bin ich letzte Woche gestoßen, als ich in der Kantstraße 79 (Grundbuchamt Charlottenburg) an einem Aufsteller mit der Werbung für diese Ausstellung vorbeilief:
Von einem Frauengefängnis an dieser Stelle hatte ich bisher nie etwas gehört - im Internet fand ich mehr überraschende Informationen über das Gefängnis, das bis 1985 noch immer Häftlinge unter Verschluss hielt. Volker Bartsch zeigt im hinteren Zellentrakt noch bis zum 25. Juni Bilder, Skulpturen und Grafiken zum Thema "Fluch der Schönheit" Diese Ausstellung ist mit Ton- und Lichtinstallationen, sowie seinen Exponaten in den Gefängniszellen sehr sehenswert, kann aber kurzzeitig zu einem beklemmenden Gefühl führen. Man kommt in den Zellentrakt/Ausstellungsraum durch die Hofeinfahrt neben dem Grundbuchamt Charlottenburg in der Kantstraße, Berlin Charlottenburg.
Läuft man weiter durch den ersten Hof, durch ein erneutes Tor, über einen weiteren Hof und noch ein Tor, so hat man den eigentlichen Zellentrakt vor sich. Nur an einer Stelle ist dieser Gefängnishof von einem Nachbar Wohnhaus einsehbar. Für alle anderen Wohnblöcke ist er völlig unsichtbar - was die Unwissenheit der Anwohner etwas erklärt.
Weiter geht es hinein ins Innere des Gebäudes - durch die Toninstallation hört man Frauenstimmen und Wispern, das Licht ist gedämpft und die Zellentüren sind geöffnet- unweigerlich erwartet man den Anblick wirklicher Häftlinge. In den Zellen kann man die Exponate betrachten - und Kritzeleien und gezeichnete Bildchen der Insassen von vor über 20 Jahren und länger.....
Volker Bartsch zeigt in seinen Werken den "Fluch der Schönheit", den Wunsch der ewigen Jugend und deren Auswirkungen der Bemühungen diese zu erlangen. Bei dem Versuch den Schönheitsidealen zu entsprechen, gerät manch eine Persönlichkeit in eine "Gefangenschaft" des eigenen Körpers.
Sehenswert - nur noch bis zum 25.6.2011 - aber beklemmend....

3 Kommentare:

  1. Das Plakat hängt schon eine Weile in Berlin rum und ich fand es einfach nur gruselig. Vielleicht hätte ich den Text unten mal lesen sollen...
    Das klingt wirklich sehr beklemmend, vor Allem, dass niemand in der Nachbarschaft etwas davon gewußt hat (oder besser gewußt haben will... der Nebensatz erninnert mich irgend wie an eine andere Zeit :-()
    Was es alles für verborgene "Schätze" in unserer tollen Stadt gibt, danke für´s Teilhaben.

    LG
    Aylin

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  2. Danke für diesen Tip!
    Habe lange dort in der Gegend gewohnt. DIE Gelegenheit, mal wieder einen Abstecher (der besonderen Art) nach Charlottenburg zu machen.
    LG
    Wiebke

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  3. Ich bin vor wenigen Tagen eher zufällig in die Ausstellung "Fluch der Schönheit" geraten, muss aber sagen, dass ich dann doch fasziniert war. Die Thematik, entweder zu schön zu sein oder unfreuwillig durch Schönheitschirurgie entstellt zu werden, passt in eine Gefängnis-Atmosphäre wie die Faust aufs Auge. Irgendwie ist man ja tatsählich Gefangener seines eigenen Körpers, wenn man älter wird. Und wenn man ihn erst verschlimmbessern lassen hat und jeder kann das sehen, erst recht. Die Verbindung von Ton- und Lichtinstallation mit den winzigen Zellen und den sehr eindringlichen Werken war ein spannendes Gesamterlebnis. Wirklich gut fand ich, dass der Künstler Volker Bartsch selbst vor Ort war, man ihn ansprechen und mit ihm darüber reden konnte, was "er sich bei diesen Arbeiten gedacht hat". Am Wochenende kriege ich Besuch - und schleppe den bestimmt nochmal dort hin.

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